Eigentlich gibt es den Jakobsweg nicht. Die Jakobswege sind ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Dieses Wegenetz lenkte Pilger seit dem frühen neunten Jahrhundert vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und Frankreich nach Spanien zum Grab des Apostels Jakobus in
Santiago de Compostela. Erwiesen ist allerdings nicht, dass der Heilige dort begraben ist.
Man zählt vier bis sechs Hauptrouten des Jokobsweges durch Frankreich. Bekannt ist dort der „Weg der Deutschen“, die „Via Lemovicensis“. Sie führt von Vezelay in Burgund durch Frankreich und war im Mittelalter der Hauptweg für Pilger aus Nord- und Westdeutschland sowie aus Osteuropa. Die Engländer und Iren kamen über den sogenannten Küstenweg entlang der französischen Atlantikküste bis nach
Spanien.
Im Osten führt die „Via Turonensis“ über Paris, Tours und Bordeaux nach Santiago. Die „Podiensis“ hingegen verläuft über Le Puy und Conques. Die „Tolosana“ läuft über Arles und Toulouse. Schließlich führt der Pyrenäenweg über Beziers und Foix.
Im Jahr 1982 rief Papst Johannes Paul II dazu auf, den Jakobsweg wieder zu beleben. Diesem Apell schloss sich im Jahr 1987 der Europarat an. Die Folge war eine Renaissance der Jakobswege auf dem ganzen europäischen Kontinent. Es entstand eine neue Kulturbewegung mit einer immer weiter steigende Zahl von Pilgern und Touristen. Es sind jedoch nicht allein religiöse, sonder beinahe überwiegend touristische und sportliche Motive eine zentrale Rolle bei den Menschen, die den Jakobsweg laufen.
Den Pilgerboom auf dem Jakobsweg gibt es also nicht erst seit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“. Nichtstdestotrotz verhalf es dem Jakobsweg zu weiterer Berühmtheit. Kerkeling hielt in dem Buch 2006 seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela fest.
Wortbedeutung pilgern: jenseits des Ackers gehen
Das Wort Pilger hat lateinische Wurzeln. Es ist auf den lateinischen Begriff „Peregrinus“ zurückzuführen. Dieser beinhaltet die Wörter „per“ (über, durch) und „ager“ (Acker). Demzufolge ist ein Peregrinus/Pilger jemand, der seinen Weg „über den Acker“ (per ager) oder über den Acker hinaus sucht, also über das Land. Das Wort pilgern („peregrinari“) heipt also auf Deutsch „wandern“, „unterwegs sein“, „in der Fremde sein“.
Pilgern ins Heilige Land
Pilgern selbst ist weit älter als das Pilgern auf dem Jakobsweg. Ungefähr dem Jahr 325 begann ein christlicher Pilgeransturm ins Heilige Land nach
Jerusalem. Die Menschen wollten auf den Pfaden Jesu gehen. Auslöser war das Auffinden des Kreuzes, an dem Jesus gestorben sein sollte (wobei niemand nachweisen konnte, dass dieses Kreuz tatsächlich damals oder je existierte). Die Menschen wollten jedoch ihrem Gott nahe sein.
Pilgern als unterwegs sein
Pilgern war für einige Mönche im frühen Christentum ein Zweck an sich. Sie wollten nicht irgendwo ankommen, sondern sie wollten unterwegs sein. Wandermönche im späten 3. Jahrhundert im Nahen Osten gingen deshalb einfach nur in die Ferne, um in die Ferne zu gehen. Es war ihnen nicht wichtig, irgendwo anzukommen. Auch heute noch gibt es Pilgerwege, die nur Rundwege sind.
Anstrengung gegen Sündenvergebung
Pilgern existierte bis zum Mittelalter also in unterschiedlichen Formen. Das Pilgern wurde aber immer mehr nicht nur zu einer Reise ins Fremde, sondern diene dazu, bestimmte Orte zu erreichen wie Jerusalem, Rom oder das Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela.
Hauptmotiv war seinerzeit der Sündenablass, also einen Erlass von Sündenstrafen zu erhalten. Diesen Beweggrund gibt es in der Gegenwart nicht mehr.
Pilgern und die Reformation
Die Reformation führte zu einem Rückgang des Pilgerns. Martin Luther als Begründer des evangelischen Glaubens erklärte Pilgern einem „Narrenwerk“, durch das sich niemand Seelenheil verdienen könne. Ihm ging es darum, den Sündenablass durch Pilgern zu verurteilen. Die Aufklärung und ein zunehmender Rationalismus verstärkten den Rückganz der Pilger
Wallfahren statt Pilgern
Es gab eine Zeit, da stand das Wallfahren hoch im Kurs. Beliebt wurde dann das Pilgern im Sinne von Wallfahren, um an einem bestimmten Ort besonderes Heil oder auch eine Heilung von Krankheiten zu erfahren. Bekannt ist etwa die Wallfahrt nach
Lourdes.
Die Begriffe Pilgern und Wallfahren werden oft identisch gebraucht. Wenn man beides unterscheiden möchte, so benutzt man das Wort pilgern, wenn man ein fernes Ziel erreichen will, wie die alten Pilgerziel Jerusalem oder Santiago de Compostela, und wallfahren, wenn man einen heiligen Ort in der Nähe erreichen möchte.
Manfred Z
Wallfahren und Pilgern haben mit Nähe oder Ferne nichts zu tun. Den Unterschied gibt es nur im deutschen Sprachbereich. Wallfahrt ist ein gemeinschftliches und jährlich termingebundenes Unternehmen, das zu Fuß stattfindet; wird aber auch benutzt für gemeinschaftliche Unternehmungen, die per Bus, Bahn, Flugzeug in die Ferne führen. Pilgern ist eher ein individuelles oder Kleingruppen unternehmen, Terminunabhängig, das in die Näehe oder in die Ferne führt.